Das deutsche Zeitformensystem besteht aus sechs Zeitformen: zwei synthetischen (Präsens, Präteritum) und vier analytischen (Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I, Futur II). Zur Bezeichnung der Gegenwart dient das Präsens, zur Bezeichnung der Vergangenheit dienen das Präteritum, das Perfekt und das Plusquamperfekt, zur Bezeichnung der Zukunft – das Futur I und das Futur II.
Bildung des Präsens
Das Verb besteht aus einem Stamm und einer Endung. Das Präsens hat folgende Personalendungen:
Singular Plural
1. Person -e -en
2. Person -st -(e)t
3. Person -(e)t -en
Die meisten deutschen Verben sind schwach. Die schwachen Verben werden regelmäßig konjugiert.
Konjugation der schwachen Verben
Singular ich lache, zeichne
du lachst, zeichnest
er lacht, zeichnet
Plural wir lachen, zeichnen
ihr lacht, zeichnet
sie, Sie lachen, zeichnen
Die Verben mit den Wurzeln auf -d, -t bzw. Konsonant + -m, -n (z. B.: -dm, -dn, -chn) haben die Personalendungen in der 2. und 3. Person -est, -et:
du badest, arbeitest
er/ihr badet, arbeitet
Die schwachen Verben mit den Suffixen -ern, -eln – z. B. lächeln, rudern, stottern, zittern, zweifeln – bilden die 1. Person Singular auf zweifache Weise. Sie haben eine verkürzte Form (ich stottre, zweifle) und seltener eine volle Form (ich stottere, zweifele).
Ausnahmen sind
– die starken Verben, deren Stamm auf verdoppelte Konsonanten -m oder -n auslautet du kommst, beginnst
– die starken Verben mit dem Vokalwechsel in der 2. und 3. Person Singular du brätst, giltst, er brät, gilt
Bei den schwachen Verben, deren Wurzel auf -s, -ß, -x, -z auslauten, fallen die Formen der 2. und 3. Person Singular sowie der 2. Person Plural zusammen. du/er/ihr reist, hasst, heißt *Konjugation der starken Verben
Die starken Verben mit den Stammvokalen a, o, au, e, ö verändern in der 2. und 3. Person Singular ihren Vokal: a → ä, o → ö, au → äu, e/o → i.
du gräbst, du stößt ; er gräbt er stößt
In den Verben nehmen und treten wird in der 2. und 3. Person Singular der lange Vokal durch einen kurzen ersetzt.
du nimmst, du trittst; er nimmt er tritt
Der Wurzelvokal bleibt unverändert in den Verben:
– mit doppelter Konjugation, z. B.: bewegen, hauen, saugen
– mit Umlaut im Infinitiv, z. B.: erwägen, gären.
– gehen, genesen, heben, kommen, rufen, stehen.
Man beachte die starken Verben,
a) bei denen in der 2. und 3. Person Singular des Präsens der Wechsel des Wurzelvokals von -e- zu -i/ie- auftritt:
befehlen, brechen, empfehlen, erschrecken, essen, fressen, geben, gelten, geschehen, helfen, , nehmen, schmelzen, sehen, sprechen, sterben, treffen, treten, verderben, vergessen, werden
b) bei denen in der 2. und 3. Person Singular des Präsens der Umlaut von a → ä, o → ö, au → äu, e/o → i auftritt:
fahren, fallen, fangen, empfangen, graben, lassen, laufen, raten, schlafen, tragen, wachsen,
Zum Gebrauch des Präsens
Die Bedeutung des Präsens besteht darin, das im Verb ausgedrückte Geschehen auf die Gegenwart zu beziehen. Es umfasst alles, was nicht auf die Vergangenheit beschränkt.
1. Das aktuelle Präsens gibt die Gegenwart an. Wir verwenden es in Sätzen, in denen mitgeteilt wird, was gerade jetzt, unmittelbar gegenwärtig geschieht. Das ist die Hauptbedeutung des Tempus.
Ich lese ein interessantes Buch.
2. Das zeitlose (atemporale) Präsens
2.1 bezeichnet die Immergültigkeit (das, was immer gilt). Es wird in den Feststellungen von Gesetzmäßigkeiten gebraucht.
Die Erde dreht sich um die Sonne. – Der Tag hat 24 Stunden.
2.2 hat einen hohen Grad an Verallgemeinerung. Es erscheint in Sentenzen, Aphorismen, Sprichwörtern.
Die Katze lässt das Mausen nicht. – Aller guten Dinge muss drei sein.
3. Durch das habituelle Präsens wird eine gültige Aussage über bestehende Fähigkeiten oder Gewohnheiten gemacht, die im Moment des Sprechens gerade nicht vollzogen werden.
Hier schläft Peter, hier schläft Jana. (Erklärung für die Gäste) – Gehst du noch zur Schule? (Eine Frage in den Ferien)
4. Das futurische Präsens wird manchmal als Synonym des Futurs gebraucht. Es drückt dabei das aus, was künftig geschehen soll, was noch bevorsteht.
Bald kommt der Frühling. – Heute Abend gehe ich ins Theater.
Wird das Präsens zur Wiedergabe zukünftigen Geschehens verwendet, so werden die Verbformen durch die Adverbialbestimmungen der Zeit (Zeitangaben) ergänzt. Die Zeitangabe wirkt als Umschalter aus der Gegenwart in die Zukunft: morgen, nächstes Jahr, in kurzer Zeit, in einigen
Stunden (Tagen, Wochen, Monaten, Jahren), demnächst u. a.
5. Innerhalb des Textes kann auch ein Tempuswechsel vom Präteritum zum Präsens erfolgen, den man als historisches Präsens bezeichnet, und zwar:
– das szenische Präsens: Vergangene Ereignisse werden in lebendigen Schilderungen im Präsens erzählt. Gestern eilte ich zum Unterricht.
– praesens historicum (historisches Präsens) im engen Sinne. 1492 entdeckt Columbus Amerika.
– das Präsens zur Einleitung der Zitaten:
Goethe sagt: Arbeite nur, die Freude kommt von selbst.